Den berühmtesten Ex-Planeten des Sonnensystems sieht man nicht so leicht. Mit einer scheinbaren Helligkeit von derzeit 14,6mag ist Pluto nur in größeren Teleskopen zu erkennen. Ebenso lichtschwach ist der Stern mit der Katalognummer UCAC4 345-180315, vor dem sich Pluto am Abend des 19. Juli 2016 vorbei schob. Die Herausforderung, dieses recht seltene Ereignis zu beobachten und aufzuzeichnen, nahm ich zusammen mit drei Mitstreitern in der Oststernwarte des Deutschen Museum in München an.

Sternbedeckungen von Asteroiden kommen öfter vor, solche durch ferne Objekte wie Pluto schon seltener. Diese Bedeckung sollte in Europa gut zu sehen sein, der Plutoschatten sollte gegen 22:51 MESZ die Erde streifen.


Skepsis am Erfolg der Mission war angebracht. Zwar ist die Sternwarte mit de 40-Zentimeter-Görz-Spiegelteleskop gut gerüstet für eine Pluto-Sichtung. Allerdings stand der Planet mit gerade einmal 17 Grad über dem Südhorizont, nur gute zehn Grad neben dem Vollmond. Dabei bestand die Schwierigkeit vor allem darin, den lichtschwachen Planeten rechtzeitig zu finden.
Die modernisierte Steuerung des 1913 ursprünglich für die Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis vom 21. August 1914 in Norwegen gebauten Teleskops schien nicht so präzise, dass man einfach Koordinaten ansteuern kann. Also mussten wir Pluto zusätzlich „von Hand“ mit Hilfe von Sternkarten suchen. Dazu hatten wir wegen der spät endenden Dämmerung nur etwa eine Stunde Zeit.
Tatsächlich fanden wir erst fünf Minuten vor der Bedeckung – unsere Hoffnungen waren bereits erheblich geschwunden – die richtige Position. In einem letzten verzweifelten Versuch hatten wir das Teleskop noch einmal selbstständig die berechneten Koordinaten anfahren lassen – mit Erfolg.

Pluto und UCAC4 345-180315 waren gut zu sehen, natürlich als ein einzelnes Objekt. Allerdings benötigten wir eine Belichtungszeit von zehn Sekunden, um ein ausreichendes Signal auf den Bildschirm zu bekommen. Eine kürzere wäre besser gewesen, aber die Bedeckung sollte ja immerhin rund 100 Sekunden andauern. Es sollte also gelingen, den Helligkeitsverlauf darstellen zu können.
Schon während der Messung konnten wir einen Helligkeitsverlust wahrnehmen – im Vergleich zum rechts neben Pluto stehenden Vergleichstern UCAC4 345-180294 (visuelle Helligkeit 12,7mag) ist das auch in der aus den Rohbildern erstellten Animation zu erkennen. Vor Beginn der Bedeckung hatten Pluto und Stern eine kombinierte Helligkeit von 13,6mag. Diese fiel, wie berechnet, um etwa eine Größenklasse – der Lichtfleck erschien also für etwa 1,5 Minuten halb so hell.


Die photometrische Analyse mit dem Software IRIS zeigt, dass das keine Illusion war: Pluto und UCAC4 345-180315 wurden für einen Zeitraum von etwa 108 Sekunden um bis zu eine Größenklasse schwächer, und zwar im Zeitraum zwischen und 22:52:29 und 22:53:47 Uhr MESZ. Die Ergebnisse liegen in recht guter Übereinstimmung zu den Berechnungen. Da wir die Rechneruhr nicht direkt mit einem Zeitsignal synchronisieren konnten, sondern nur über das Internet, sind wir bei der Genauigkeit der absoluten Uhrzeit allerdings vorsichtig.

Dass die gesehene Verdunklung kein Seeingeffekt war, zeigt die letzte Grafik: Hier sind die Differenzwerte der Helligkeiten von Pluto + UCAC4 345-180315 und UCAC4 345-180294 aufgetragen. Da das Seeing auf die sehr eng beieinander stehenden Objekte gleich wirken sollte, werden Effekte der Luftunruhe so eliminiert. Tatsächlich liegen die Werte in den ersten 150 Sekunden dichter beieinander. Die Messpunkte bei 157 und 176 Sekunden liegen weiterhin deutlich tiefer, eine Erklärung dafür habe ich derzeit nicht.

Da wir weder eine korrekte Synchronisation der Rechneruhr noch eine Korrektur auf die spektrale Empfindlichkeit des Kamerachips noch auf die atmosphärische Extinktion durchgeführt haben, ist das Resultat wissenschaftlich nicht unbedingt verwendbar. Dennoch sind wir zufrieden: Knapp fünf Milliarden Kilometer ist Pluto derzeit von der Erde entfernt, und wir konnten seinen Vorbeizug vor einem noch viel weiter entfernten Stern festhalten. Ein paar Sekunden im Plutoschatten – das erlebt man eben nicht alle Tage.
Warum Amateurbeobachtungen der Plutobedeckung (professioneller durchgeführt als unsere) so bedeutsam sind, dass selbst Daten des Astrometriesatelliten Gaia vorab veröffentlicht wurden, um eine bessere Vorgersage des Ereignisses zu ermöglichen, hat Uwe Reichert von Sterne und Weltraum erklärt.
Herzlichen Dank an Marco Sproviero und Helmut Eichler von der Beobachtergruppe für die Möglichkeit, dieses Ereignis an der Sternwarte des Deutschen Museums zu verfolgen!
Nachtrag: Auch an der Volkssternwarte München wurde Plutos Schatten observiert – unsere Zeiten wurden dabei bestätigt. Hier geht’s zum Bericht.
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